Conexionismo - Malerei im Dialog zweier Kulturen

Alvaro Macieira und Horst Poppe - Eröffnung im Kunstverein Nordenham am 20. Novemb
er 2005

Elke Grapenthin

Die Ausstellung bietet den Blick in eine zunächst fremde Welt in äußerst ansprechenden, überwiegend leuchtenden Farben. Zwei Künstler, ein Deutscher und ein Angolaner, präsentieren Diptychen und Stelen, übersät mit Zeichen und Abbildern von Kultgegen-ständen aus Afrika. Erst auf den zweiten Blick gibt es auch etliches Vertrautes für Europäer – verständliche Gestik und Mimik bei dargestellten Figuren, bekannte Symbolik und stilistische Anklänge von Kubismus, Expressionismus, lyrischer Abstraktion...

Zur Zeit des Aufbruchs zur Moderne in der Kunst, d.h. zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, hielten die Künstler nicht länger an der Nachahmung der Natur fest, sondern suchten nach der Idee, der Seele dessen, was sie vor sich sahen, setzten ihre Ge-fühle, ihr Wissen um das Darzustellende in Malerei, in Farben und Formen um - ein Weg, der von der Reduktion und Abstraktion schließlich auch zur Gegenstandslosigkeit führte. Cezanne formulierte. „Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur,“  Emil Nolde fand: „Instinkt ist zehnmal mehr als Wissen.“ Klee schrieb 1907: „ Ich male überhaupt nur mehr das Allereinfachste, denn nur in dem liegt die Symbolik, das Pathos und das Geheimnisvolle in der Natur“, sprach sogar davon, „Dinge in das Jenseitige“ zu rücken. In jener Zeit gewann die sogenannte „primitive“ Kunst von Naturvölkern in ihrer so einfach wirkenden Beschränkung auf das Wesentliche die Aufmerksamkeit vieler Künstler – z.B. die des symbolistischen Malers Paul Gauguin und die des Bildhauers Henry Moore, die von Expressionisten wie der Brücke-Künstler Kirchner und Heckel sowie von Kubisten wie Matisse, Braque und Picasso. An der afrikanischen Skulptur faszinierten vor allem Urtümlichkeit, Ausdrucksstärke und Magie und der exotische Kon-tinent Afrika lockte viele Künstler an. Paul Klee kommentiert seine Tunesienreise mit August Macke mit den Worten „Materie und Traum zu gleicher Zeit, und als drittes hineinverfügt mein Ich“.

Wenn Künstler schon damals von der afrikanischen Kultur angezogen wurden, verwundert es nicht, dass Horst Poppe, der mehr-fach in Afrika war, ja mehrere Jahre in Luanda/Angola verbrachte und sich dort mit gegenwärtiger Kunst auseinander setzte, auch begeistert war von den Masken und Kultfiguren alter im Kongo und in Angola ansässiger Volksstämme wie der Chokwe. Stets kehrte er von seinen Besuchen mit Sammelstücken unterschiedlichster Art sowie gemusterten afrikanischen Stoffen heim, und nach und nach hielten Masken und Figuren Einzug in seine künstlerische Arbeit. Ebenso scheint es nicht verwunderlich, wenn ein angolanischer Maler wie Alvaro Macieiro in seine Werke gerade Stilelemente von Künstlern wie Picasso und Klee integriert, die ihrerseits einst von der alten afrikanischen Kunst oder dem exotischen Couleur des Landes inspiriert wurden. Da schließt sich der Kreis. Klees poetische Zeichen als Bedeutungsträger in seiner Malerei wirken wie eine europäische Fortschreibung der in Sandzeichnungen von Generation zu Generation überlieferten Symbolen oder Diagrammen der Chokwe...

Das Besondere an den Diptychen von „Conexao“ ist, dass es sich um Gemeinschaftsarbeiten handelt, die wie aus einem Guss wir-ken, obgleich jeder der beiden Künstler hauptsächlich jeweils eine der Tafeln gestaltet und seine eigene Handschrift dabei nie ganz aufgegeben hat. Die  Seitenränder zweier zusammengehöriger Tafeln sind außerdem so aufeinander abgestimmt, dass es nicht nur eine Lösung für ein Diptychon gibt, sondern mindestens zwei Varianten: Jede Bildtafel kann links oder rechts montiert werden und meist ist auch ein Übereinander möglich.  So kann eine zweite Präsentation der selben Werken durch eine neue Entscheidung der Künstler mit völlig anderen Diptychen überraschen.  Für jede dieser Lösungen gilt jedoch:

Durch farbliche  und formale Übereinstimmungen sowie inhaltliche Zusammenhänge bildet jedes zweiteilige Werk eine gelungene Einheit, egal, wie sehr sich die beiden Maler stilistisch voneinander unterscheiden, was von Bild zu Bild variiert.

H.P. beschränkt sich meist auf wenige größere Objekte, die er klar von ihrer Umgebung abgrenzt. Er formt mit der Farbe, arbei-tet malerisch, plastisch, großflächig. Bei A.M. dagegen dominiert die Linie. Seine Bilder wirken flächig, umrissbetont, kleinteilig und dekorativ, sind mit vielen Details ausgefüllt. Der Übergang von einem Objekt zum anderen ist fließend,. Alles wird in Einzel-formen aufgesplittert – in Dreiecke, Kreise und Vierecke. Seine Figuren sind nicht nur mehransichtig wie die Picassos, sondern es gibt Schnittmengen wie Augen bei zwei ganz verschiedenen Wesen. Man muss genau hinschauen, um alles zu erkennen...

Die Werke sind in sehr kurzer Zeit entstanden, denn A.M. kam erst am 23. Oktober nach Langen und am 7. November wurde die erste Ausstellung mit diesen Bildern in Bremen gehängt. Allerdings hatte H. P. die meisten Leinwände vorab mit Papier- und Pappcollagen präpariert und mit hellen Acrylfarben grundiert. Da er selbst tagsüber seinem Brotberuf nachgehen musste, konn-ten die beiden Freunde nur abends oder am Wochenende gemeinsam malen. So begann mal der eine, mal der andere mit einem Entwurf– und die Aufgabe des später dazukommenden Malers war, auf die Arbeit des anderen so einzugehen, dass etwas Stim-miges entstand:  Gab H.P. z.B. eine Maske vor, dann stellte A.M. dieser eine bunt gemischte Gesellschaft aus Tieren und maskier-ten Wesen gegenüber, die emotional auf ihr Gegenüber reagierten, d.h. bei der eher furchteinflößenden Mukixi-Maske mit Er-schrecken, bei der Mwana-pwo-Maske, dem Idealbild der Frau, eher mit Bewunderung. Und für von H.P. benutzte afrikanische Symbole suchte er die entsprechenden europäischen Übersetzungen, ersetzte H.Ps. Sternzeichen durch den mehrstrahligen Stern im Diptychon „iadi“ und für die Trommel als altes Instrument der Nachrichtenübermittlung in „Kilumba“ fügte er einfach eine winkende Hand ein, die meint : „Kommt herbei!“ Neben solchen sinn- und inhaltsstiftenden Verknüpfungen führen immer wieder auch rein formale Entsprechungen zur Werkeinheit: So gleicht H.P. seine Figur bei „ngolu zetu gingui“  in ihrer Körper- und Armhaltung der zentralen Gestalt auf A.M.’s Tafel an, wodurch das Diptychon seinen parallel-symmetrischen Aufbau erhält....

Und inmitten all dieser farbenfrohen Werke, die die Freude ihrer Urheber auf die Betrachter übertragen, Raum für einen auf Schwarz-Weiß-Grautöne beschränkten Andachtsort aus Maskenstelen rund um ein Mukixi-Diptychon!  

Eine Ausstellung, die neugierig und Lust macht, sich mehr mit afrikanischer Kultur zu befassen!  Eine Hommage für Afrika!